Das Große Fastentuch von 1472 misst beeindruckende 8,20 x 6,80 Meter und ist damit eines der größten erhaltenen Tücher seiner Zeit. Es zeigt 90 einzeln gemalte biblische Szenen, die in leuchtenden Farben auf grobem Leinen dargestellt sind.
Die Szenen reichen von der Schöpfung der Welt über das Leben Jesu bis hin zum Jüngsten Gericht. So wurde das Tuch zu einem „Bilderbuch der Bibel“ – für viele Menschen der damaligen Zeit die einzige Möglichkeit, die biblische Geschichte bildlich zu erleben.
Das Werk entstand vermutlich in einer Werkstatt in Zittau oder in der Umgebung und wurde aufwändig mit Farbpigmenten aus Naturstoffen bemalt. Trotz seiner Größe und seines Alters hat es die Jahrhunderte nahezu unversehrt überstanden – dank der sorgfältigen Pflege durch die Bürger Zittaus.
Heute ist es im Kirchenmuseum St. Kreuz in einer klimatisierten, dunklen Rauminstallation zu sehen, die seine ganze spirituelle Wirkung entfaltet.
Das Kleine Fastentuch von 1573 – barocke Erneuerung und religiöse Kunst
Etwa 100 Jahre später entstand das Kleine Fastentuch von 1573. Mit seinen 6,80 x 4,20 Metern ist es kleiner, aber nicht minder beeindruckend. Es wurde nicht bemalt, sondern gewebt – eine handwerkliche Meisterleistung aus Zittauer Tuchmachertradition.
Das Motiv zeigt den gekreuzigten Christus in der Mitte, flankiert von Ornamenten, Symbolen und Bibelzitaten. Dieses Fastentuch ist Ausdruck des Glaubens in der Zeit der Reformation, in der Zittau als reiche Handelsstadt eine bedeutende Rolle spielte.
Das Kleine Fastentuch ist heute in der Zittauer Franziskanerklosterkirche zu sehen und wird dort in modernem Lichtdesign präsentiert, das seine filigrane Struktur und Symbolkraft unterstreicht.
Restaurierung und Bewahrung
Beide Fastentücher waren über Jahrhunderte gefährdet – durch Kriege, Feuchtigkeit und Unwissenheit.
Erst im 20. Jahrhundert begann die wissenschaftliche Restaurierung und Sicherung.
Nach aufwändigen Arbeiten – unter anderem in Dresden und Wien – gelten die Zittauer Fastentücher heute als vorbildlich konserviert.
Die Stadt Zittau investierte gemeinsam mit Fördergeldern der Bundesrepublik Deutschland, des Freistaates Sachsen und der EU in ihre Erhaltung. Das Ergebnis ist beeindruckend: Besucher erleben heute zwei unvergleichliche Zeugnisse mittelalterlicher Sakralkunst, eingebettet in ein modernes Ausstellungskonzept.
Bedeutung über die Grenzen hinaus
Die Zittauer Fastentücher sind nicht nur Kunstwerke, sondern Identitätsträger der Oberlausitz.
Sie verbinden Geschichte, Glauben und Handwerk auf einzigartige Weise und sind Symbol für die kulturelle Tiefe der Region.
Sie stehen seit Jahren im Fokus von Kunsthistorikern, Theologen und Touristen aus ganz Europa.
Viele Besucher reisen eigens nach Zittau, um diese einzigartigen Tücher zu sehen – sie gelten als „Oberlausitzer Antwort auf die Sixtinische Kapelle“.
Besucherinformationen
- Ort:
- Großes Fastentuch (1472) – Museum Kirche St. Kreuz, Frauenstraße 23, 02763 Zittau
- Kleines Fastentuch (1573) – Franziskanerklosterkirche, Klosterstraße 3, 02763 Zittau
- Öffnungszeiten:
- Dienstag bis Sonntag, 10:00 – 17:00 Uhr (Saisonzeiten beachten)
- Eintritt:
- Kombiticket für beide Standorte erhältlich
